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Infotafel 17 - Die Bürgerhäuser

Zusatzinformationen zum Thema "Die Cartiers in Neuötting":

 

In der Mitte des 18. Jahrhunderts siedelte sich eine Kaufmannsfamilie mit klangvollem Namen in Neuötting an: Die Cartiers.

Im Gegensatz zu ihren berühmten Namensvettern stammte diese Familie jedoch aus dem französischen Savoyen.

Seinen Sitz hatte das Handelshaus in der Ludwigstr. 72. Bemerkenswert sind die noble klassizistische Fassade von 1798 (Abb.), das geschnitzte barocke Türblatt und das Rotmarmorgewände am Hauseingang. Es ist am Keilstein bezeichnet mit „Claude Pierre Carthier 1761“.

Claude Pierre Cartier wurde ca. 1723 in Savoyen (Magland) geboren. Er war ein bürgerlicher Großhandelsherr, der in Neuötting ein großes Transitlager verschiedenster  Handelswaren unterhielt. Kurz vor seinem Tod stiftete er das große ovale Weihwasserbecken in der Stadtpfarrkirche St. Nikolaus, das am Fuß des Beckens einen stilisierten Anker als Kaufmannszeichen trägt (Abb.). Claude Pierre Cartier verstarb am 1. Oktober 1768 im Alter von 45 Jahren in Neuötting und wurde in der Sebastiani-Seitenkapelle der Stadtpfarrkirche begraben.

 

Weitere Cartiers in Neuötting:

Josef Maria Cartier (Bruder), verheiratet mit Maria Agatha Mareisin, der Tochter eines Weinwirts und Getreidehändlers Mareis zu Haag in Bayern

Petrus Claudius Cartier (Sohn von J. M. C.), unverheiratet, gestorben 1857 im Alter von 75 Jahren. Mit ihm starb das Cartier-Geschlecht in Neuötting aus.

 

Die Stadtheimatpflegerin Renate Heinrich hat die Geschichte der Cartiers in Neuötting recherchiert:

"Hier ruhet der Edl und Wohlfürneme Herr Claudi Peter Cartier gebiertig aus Savoyen, im leben gewester Handelsherr zu Neuötting. So gestorben Ao 1768 den ersten Oktober zwischen 5 und 6 Uhr Vormittag seines Alters im 45 Jahr. Gott verleih ihm die ewige Ruhe. Amen".

Mit diesem Gedenkstein, angebracht in der Stadtpfarrkirche St. Nikolaus in Neuötting, hatte der Handelsherr Cartier das erreicht, was von vielen ausgewanderten Savoyarden als hohe Ehre für ein erfolgreiches Leben erstrebt wurde.

Die Gemeinde Magland in Savoyen liegt an der Arve und hatte sich seit Ende des Mittelalters auf die Herstellung und Reparatur verschiedener Arten von Kesseln spezialisiert. Magland war auch einer der Orte, die zahlreiche Auswanderer hervorbrachten, wie Pierre Claude Cartier, der in Neuötting beeindruckende Spuren hinterlassen hat.

Der 1611 geborene Ahnherr, der Bauer und Wanderhändler Jean Cartier-Callit hatte fünf Söhne, von denen der zweitälteste Claude Louis das Gewerbe des Vaters fortführte. Dessen Sohn Claude Etienne Cartier und seine Ehefrau Maria Petrina waren schließlich die Eltern von Claude Pierre Cartier, der sich 1757 in Neuötting mit der Witwe Maria Juliana Rockinger, geb. Knieling, verehelichte. Claude Pierre Cartier gestaltete das Haus Ludwigstraße 72 am Stadtplatz von Neuötting in seiner noch heute bewunderten Ausführung. Eine vielleicht geplante Rückkehr nach Savoyen wurde durch seinen frühen Tod unmöglich, auch galt er in Magland als in Deutschland verschollen.

Weniger erfolgreich als Claude Pierre Cartier und heute nicht mehr bekannt, erging es dem Handelsmann Franz Claudi Rollin, der sich schon 1711 mit seiner Ehefrau Nicolina ebenfalls in Neuötting niederließ. Schon zwei Jahre später musste das Anwesen vergantet (versteigert) werden, wobei es die Bezeichnung "Franz Claudi Rollinsche Savoyarden Behausung" trug. Ein Verwandter oder Namensvetter Joseph Rollin aus Viuz-en-Sallaz hingegen kam um 1750 in Nürnberg zu großem Wohlstand.